Indermühle, Hedwig (1927-2023)--DB1726

Indermühle, Hedwig (1927-2023)--DB1726

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Person

Lebensdaten

22.02.1927-16.10.2023

Mädchenname, Herkunftsort bzw. Heimatort

Amsoldingen

Zivilstand, Konfession, Nachkommen

Ledig

Soziale Herkunft, verwandtschaftliche Beziehungen

Ausbildung, berufliche Tätigkeit und Funktionen in der Öffentlichkeit

Ausbildung

Haushaltungslehrerinnenschule Pruntrut 1944-1947; Handelsschule Neuenburg; Hausdienstlehrjahr Bern

Berufsausübung

Bernische Haushaltungsschule Worb: Vorsteherin 1959-1987 (als Nachfolgerin von Fricker, Ruth--DB1126); Eidgenössisches Gesundheitsamt: Mitarbeiterin 1956-1959; Haushaltungsschule Schwand-Münsingen: Lehrerin (-1956); bäuerlich-hauswirtschaftliche Schule Marcelin-sur-Morges: Lehrerin

Funktionen in landwirtschaftlichen Institutionen

Funktionen in anderen Institutionen

Funktionen in der Politik

Biographische Skizze

Die Haushaltungsschule Worb war 1886 vom Zweigverein Konolfingen der Oekonomischen Gesellschaft unter der Leitung von Uhlmann, Marie (1850-1892)--DB3630 eröffnet worden. Die Führung oblag einer Aufsichtskommission, die ausschliesslich aus Mitgliedern der OGG bestand. 1959 engagierte diese Kommission, der mittlerweile auch Vertreter des Kantons angehörten, die 32-jährige Hedwig Indermühle als neue Vorsteherin. Fast drei Jahrzehnte lang blieb diese auf ihrem Posten – und erhielt 1984 für ihre beispielhafte Tätigkeit die OGG-Verdienstmedaille.

Dass die Leitung der traditionsreichen Haushaltungsschule ausgerechnet einer jungen Hauswirtschaftslehrerin übertragen wurde, die damals nicht mehr ihren erlernten Beruf ausübte, hing auch damit zusammen, dass man einen Ausweg aus der Krise suchte, in der sich die Schule Ende der 1950er-Jahre befand. Der Haushaltungsunterricht war im Kanton Bern nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Einführung als Volksschulfach (1945) und dem Obligatorium für den Besuch hauswirtschaftlicher Fortbildungsschulen (1952) zwar stark aufgewertet worden, aber die Einbindung des Hauswirtschaftsunterrichts in die kantonalen Bildungsstrukturen hatte für die private Schule auch einschneidende finanzielle Folgen. So musste die Besoldung der Lehrerschaft angepasst werden; zudem wurden Reparaturen am Gebäude nötig. Mitte der 1950er-Jahre musste die Trägerschaft der zu einem wesentlichen Teil durch Kursgelder finanzierten Schule sogar die Schliessung in Erwägung ziehen. Dank Beiträgen des Kantons, der Gemeinde und der OGG konnte 1956 zwar ein Erneuerungsfonds eingerichtet werden, der es möglich machte, die dringendsten Renovationsarbeiten durchzuführen. Doch die finanzielle Lage blieb angespannt. Aufgrund der schlecht besuchten Sommerkurse erwog die OGG 1959 erneut die Schliessung der Schule. Die finanziellen Probleme trübten 1959 auch das Verhältnis zwischen der Aufsichtskommission und der erst seit zwei Jahren amtierenden Leiterin Ruth Fricker. 'An der Haushaltungsschule Worb' herrschten 'unerfreuliche Verhältnisse', heisst es im Protokoll der Direktionssitzung der OGG vom 26. Mai 1959. 'Die Vorsteherin und die beiden Lehrerinnen' hätten gekündigt, 'weil ihnen die Direktion verschiedene Wünsche' nicht habe bewilligen können.

Mit der Wahl von Hedwig Indermühle wagte man nicht nur personell einen Neuanfang: Ab sofort hatte die Vorsteherin auch Zutritt zu den Kommissionssitzungen. Mit viel Diplomatie und Ausdauer, aber mit einem 'gemächlichen Tempo', wie Hedwig Indermühle im Interview rückblickend formuliert, setzte sie sich für die notwendigen Investitionen ein. Finanzielle Engpässe seien mit Kreativität wettgemacht worden. Gemeinsam mit den Schülerinnen und Handwerkern aus dem Dorf wurden Räume gestrichen und tapeziert und die alten Eisenbetten in Ottomanen umgewandelt. Trotz der beschränkten finanziellen Möglichkeiten empfand Indermühle die Zusammenarbeit mit der Aufsichtskommission als 'dankbare Sache', da diese ihr in der Gestaltung der Schule freie Hand liess. Mit der Statutenrevision von 1964 waren in der Aufsichtskommission zudem nun auch der Verein Ehemalige Worberinnen, die Erziehungsdirektion und die Einwohnergemeinde Worb vertreten. Die Beziehungen zur OGG hingegen hat sie als 'distanziert' in Erinnerung. Indermühle hat heute den Eindruck, dass die Haushaltungsschule Worb bei der OGG 'im Schatten der landwirtschaftlichen Schulen' gestanden sei.

In den fast drei Jahrzehnten als Vorsteherin erlebte Hedwig Indermühle die umfassenden gesellschaftlichen Veränderungen der 1960/70er-Jahre, wie sie sich im Internatsleben junger Frauen spiegelten. In Erinnerung geblieben sind ihr vor allem das wachsende Bedürfnis der Schülerinnen nach einem freien Ein- und Ausgang, nach Zulassung des Besuchs von Freunden und auch die Tendenz, in jeder freien Minute 'ins Dorf' gehen zu wollen. So lockerte sich auch das vorher familiäre Gemeinschaftsleben im Internat. Zu Beginn ihrer Amtszeit wurden die Wochenenden in der Regel gemeinsam mit den Schülerinnen aus der Westschweiz und dem Ausland verbracht, doch in den letzten Kursen war dieser Kontakt von den Schülerinnen nicht mehr erwünscht. Hedwig Indermühle empfand es als Herausforderung, 'gegen die innere Überzeugung' solche Neuerungen zuzulassen. Es ging auch um ein, wie sie es heute nennt, 'freier werden in allem'. Gegen das Rauchen in Räumen oder das Radiohören während des praktischen Unterrichts wehrte sie sich jedoch konsequent. In anderen Punkten, so beim freien Ausgang bis Mitternacht für die jüngeren Schülerinnen, gab sie trotz Skepsis nach. Auch weniger einschneidende Modeerscheinungen sind Indermühle in Erinnerung geblieben: So begannen die Schülerinnen im Unterricht zu stricken oder äusserten den Wunsch, die teilweise ungeliebte Gartenarbeit im Badekleid verrichten zu dürfen.

Das Durchschnittsalter der 'Töchter' lag in Hedwig Indermühles Amtszeit meistens zwischen 17 und 20 Jahren, doch gab es vereinzelt auch 16- oder 40-jährige. Die Schülerinnen stammten zum grössten Teil aus dem Kanton Bern, immer aber besuchten auch Töchter aus der übrigen Deutschschweiz und der Westschweiz die Schule. Zudem gab es stets Schülerinnen aus dem Ausland, vorwiegend aus Deutschland, aber auch aus den USA, Guatemala oder Japan. Ebenfalls sehr heterogen war die soziale Herkunft. Die Haushaltungsschülerinnen in Worb stammten sowohl aus bäuerlichen und gewerblichen wie auch aus bildungsbürgerlichen Kreisen. Seit Ende der 1970er-Jahre zog die Haushaltungsschule zudem vermehrt Schülerinnen an, die bereits eine berufliche Ausbildung absolviert hatten. Diese zu unterrichten machte Hedwig Indermühle besonders Freude. Sie brachten meistens eine grössere Motivation und 'die richtige Gesinnung' mit, die auch die eher weniger interessierten jüngeren Schülerinnen positiv beeinflusst habe.

Speziell in Erinnerung geblieben ist Hedwig Indermühle der Neu- und Umbau der Schule Anfang der 1970er-Jahre. Der Bau kam dank dem Einsatz eines Patronatskomitees zustande, das Anteilscheine verkaufte und zinslose Darlehen vermittelte. Zudem trugen die Solidarität des Dorfes und die Mithilfe der Ehemaligen wesentlich zur Finanzierung des Grossprojekts bei. Mit einer Tannenfuhre wurde symbolisch Holz herbeigeführt und es fanden zahlreiche Feste, Serenaden und ein Basar statt. Nach dreijähriger Bauphase konnten die Gebäude 1971 eingeweiht werden.

Das 100-Jahre-Jubiläum der Schule 1986 bedeutete für Hedwig Indermühle Höhepunkt und Abschied zugleich. Nach 28 Dienstjahren trat sie 1987 in Pension. Die bevorstehende Neuausrichtung bewog sie, die Leitung in jüngere Hände zu übergeben.

Autorin: Martina Ineichen

Quellen und Literatur

Eigene Publikationen

Quellen

  • AfA Personendossier Nr. 446
  • Ineichen, Martina: Hedwig Indermühle - ein Leben für die Haushaltungsschule Worb, in: Kartoffeln, Klee und kluge Köpfe. Die Oekonomische und Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern OGG (1759-2009). Herausgegeben von Martin Stuber, Peter Moser, Gerrendina Gerber-Visser und Christian Pfister, unter Mitarbeit von Dominic Bütschi, Bern-Stuttgart-Wien, 2009, S. 231-234

Schlagworte

Suisse - SchweizKanton BernBernische Haushaltungsschule WorbOekonomische und Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern (OGG)

Indermühle, Hedwig (1927-2023)--DB1726

Martina Ineichen, Indermühle, Hedwig (1927-2023)--DB1726 .