Bieri, Hermann (1910-2011)--DB340

Bieri, Hermann (1910-2011)--DB340

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Person

Lebensdaten

09.08.1910-13.03.2011

Mädchenname, Herkunftsort bzw. Heimatort

Zivilstand, Konfession, Nachkommen

Verheiratet mit Greti Burgdorfer; vier Kinder

Soziale Herkunft, verwandtschaftliche Beziehungen

Ausbildung, berufliche Tätigkeit und Funktionen in der Öffentlichkeit

Ausbildung

Ing. Agr. ETHZ, Studienabschluss 1937; Institut Minerva; Landwirtschaftliche Schule Rütti; Landwirtschaftliche Schule Schwand: Praktikant; Handelsschule Bern

Berufsausübung

Landwirtschaftliche Schule Rütti: Lehrer für Chemie, Buchhaltung und Pflanzenbau 1945-1976; Schweizerisches Anbauwerk: Leiter des Anbaukatasters 1938-1945

Funktionen in landwirtschaftlichen Institutionen

Verein ehemaliger Schüler der landwirtschaftlichen Schule Rütti-Zollikofen: Ehrenmitglied 1969, Sekretär-Kassier 1948-1962 (als Nachfolger von Werren, Jakob (1895-1970)--DB3785); Vorstandsmitglied des Schweizerischen Landwirtschaftslehrerverbands; Oekonomische und gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern (OGG): Sekretär Kantonale Kommission für landwirtschaftliche Berufsbildung 1947-1972 (als Vorgänger von König, Hans (1943-)--DB1988)

Funktionen in anderen Institutionen

Hauptmann

Funktionen in der Politik

Biographische Skizze

Die Entwicklung der bäuerlichen Berufslehre hat eine lange Vorgeschichte, an der Exponenten der OGG massgeblich mitgeschrieben haben. Einen wesentlichen Beitrag zum spektakulären Aufschwung in der Nachkriegszeit leistete der Agronom und Landwirtschaftslehrer Hermann Bieri. Der Kanton Bern beauftragte ihn und die OGG 1947 mit dem Ausbau der praktischen bäuerlichen Berufslehre; ein Vierteljahrhundert später, 1973, war sie in der Schweiz nirgends so populär wie im Kanton Bern.

Die Berufsbildung ausserhalb des Betriebs wurde im späten 19. Jahrhundert auch im Agrarsektor immer wichtiger. Wegen der Saisonalität der Produktion erfolgte die formale Ausbildung hier jedoch lange Zeit alternierend zur praktischen. Der Unterricht an den landwirtschaftlichen Fachschulen war denn auch lange Zeit stark theoretisch geprägt. Bis in die Zwischenkriegszeit neigten diese sogar dazu, «kleine Universitäten» zu werden. Dafür fehlte immer noch eine klar definierte 'Lehrzeit' auf einem anerkannten Lehrbetrieb mit einer Abschlussprüfung – nach dem Vorbild dessen, was in gewerblichen Berufen Usus und 1930 auf eidgenössischer Ebene auch gesetzlich geregelt wurde.

Exponenten der OGG hatten sich schon Ende des 19. Jahrhunderts beim Schweizerischen landwirtschaftlichen Verein (SLV) für die Einführung einer landwirtschaftlichen Berufslehre eingesetzt – vorerst erfolglos. Einen Aufschwung erlebten lediglich die landwirtschaftlichen Fachschulen, wo die Schüler während eines Jahreskurses – oder zweier Winterkursen – neben der regelmässigen Mitarbeit auf schuleigenen Gutsbetrieben eine theoretische Ausbildung erhielten. Erst die 1929 von der OGG eingesetzte Kommission für Bildungswesen und Volkswirtschaft verhalf der Idee des landwirtschaftlichen Lehrjahrs, das jetzt auch ausserhalb des Kantons breit diskutiert wurde, zum Durchbruch. Gestützt auf umfangreiche Vorarbeiten des Bauernsekretariates in Brugg konnte der SLV 1931 zuhanden seiner Sektionen Richtlinien zur Regelung der Ausbildung und Prüfung von Landwirtschaftslehrlingen abgeben. Und noch im gleichen Jahr wurden die ersten Lehrverhältnisse abgeschlossen; zur Durchführung der Prüfung am Ende der Lehrzeit stellte die Rütti in den 1930er-Jahren ihren Gutsbetrieb zur Verfügung.

Vertreter des SLV, v.a. Sturzenegger, Otto (1895-1989)--DB3524, suchten in der ganzen Schweiz Lehrlinge und Lehrbetriebe, schlossen Lehrverhältnisse ab, begleiteten diese und leisteten Hilfe bei Konflikten. Trotzdem blieb der Erfolg bescheiden; in den 1930er-Jahren wurden pro Jahr gesamtschweizerisch weniger als 100 neue Lehrverhältnisse abgeschlossen. In Bern waren es 1941 lediglich deren 31. Ausserdem kamen die meisten Lehrlinge nicht aus bäuerlichen Kreisen. Es waren entweder 'solche, die aus Begeisterung Bauer werden wollten, oder solche, die im Sinne hatten, an der ETH Zürich Landwirtschaft zu studieren'. Der grösste Teil der Bauernbuben ging zur Ausbildung weitgehend formlos für ein oder zwei Jahre auf einen anderen Betrieb. Aus Teilen des Mittellandes, vor allem dem Bernbiet, gingen viele auch ins 'Welschland' und lernten dort, wie der spätere OGG-Präsident Bernhard, Gottlieb (1908-1986)--DB296 es formulierte, bei 'oft harter Arbeit und magerem Lohn, in der Regel mehr schlecht als recht Französisch'. Auch in beruflicher Hinsicht hätten sie nur wenig gelernt, 'da ja im Welschland ein Bauernbetrieb kaum anders geführt' worden sei als jener ihrer Eltern.

Der entscheidende Impuls zur Verbesserung dieser Situation kam vom Direktor der landwirtschaftlichen Schule Schwand, Daepp-Neuenschwander, Werner (1900-1948)--DB770. Er stellte fest, dass auch viele Schüler der Winterklassen nur über ein beschränktes praktisch-landwirtschaftliches Können verfügten. Deshalb führte er 1936 die 'praktische Berufsprüfung' für Absolventen der landwirtschaftlichen Fachschule Schwand ein. Diese Prüfung gab 1943 fast vollumfänglich die Vorlage ab für das nun 'bäuerliche Berufsprüfung' genannte Examen, mit dem zum ersten Mal in der landwirtschaftlichen Berufsbildung auch praktisches Können und nicht nur theoretisches Wissen geprüft wurde. Die praktische Berufsprüfung führte die Fachschüler und die Lehrlinge näher zusammen, weil die Lehrzeit voll an die für die Prüfungszulassung unter anderem verlangten vier Jahre praktischer Tätigkeit angerechnet wurde. Ausserdem hatte sie zur Folge, dass indirekt 'Lehrmeister' herangebildet wurden, die sich als Ausbildner von Lehrlingen eigneten. Denn die bäuerliche Berufsprüfung nahmen in erster Linie ausgebildete Bauern ab, die in der Regel eine Fachschule absolviert hatten.

Auch nach der Übernahme der praktischen Berufsprüfung durch die anderen Schulen Mitte der 1940er-Jahre war es so, dass zuweilen unterschiedlich geprüft wurde. Die Vorstellungen darüber, was eine gute landwirtschaftliche Praxis sei, differierten aufgrund der unterschiedlichen regionalen Produktionsverhältnisse noch erheblich. Eine Kuh beispielsweise musste im Mittelland, wo sie bis Ende der 1940er-Jahre regelmässig als Zugtier eingesetzt wurde, noch über andere Qualitäten verfügen als im Oberland oder im Jura, wo Milch- und Fleischproduktion im Vordergrund standen. Und der Gemüsebau sah im Seeland anders aus als im Emmental. Deshalb strebten die Schuldirektoren kantonale Richtlinien für die Berufsprüfung und das Lehrlingswesen sowie gemeinsame Vorbereitungskurse für alle als Experten wirkenden Bauern an. Im Sommer 1947 beauftragte die Landwirtschaftsdirektion Bieri mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für ein Reglement, das der Regierungsrat dann schon Ende des Jahres in Kraft setzen konnte. Gleichzeitig übertrug die Regierung die Verantwortung für das landwirtschaftliche Lehrlingswesen im Kanton Bern weitgehend der OGG. Von nun an nahm die Zahl der Prüfungsabschlüsse in Bern stark zu: Traten 1945 lediglich 62 Lehrlinge zur Lehrabschlussprüfung an, so waren es 1970 schon 465, wobei im Mittelland und Emmental ungleich mehr Lehrverhältnisse abgeschlossen werden konnten als im Oberland und im Jura. Ausserhalb des Kantons Bern stieg die Zahl viel weniger stark an, von 153 auf 469.

Initiiert wurde dieser Aufschwung durch den 1947 geschaffenen Ausschuss der OGG, zu dessen erstem Obmann Werner Daepp ernannt wurde. Das Sekretariat, das in den 1950er-Jahren zu einer eigentlichen Geschäftsstelle wurde, führte Hermann Bieri. Zusammen mit dem Agronomen und OGG-Präsidenten Fritz Gerber trieb er den Ausbau voran. Weil das Landwirtschaftsgesetz von 1951 die landwirtschaftliche Berufsbildung auch auf eidgenössischer Ebene regelte, erliess der Kanton Bern 1957 eine Verordnung. Der bisherige OGG-Ausschuss wurde damit zu einer kantonalen Kommission für landwirtschaftliche Berufsbildung. Nun wählte der Regierungsrat die Mitglieder. Die OGG und der Verband Bernischer Landfrauenvereine (VBL) behielten aber das Vorschlagsrecht, da sie weiterhin die Lehrverhältnisse überwachten und die Abschlussprüfungen durchführten.

Bieris umfangreiche Tätigkeit bestand vor allem in der Beratung von Jünglingen und Eltern, dem Besuchen von Lehrlingen und Lehrmeistern sowie der Organisation von Kursen für Lehrlinge, Lehrmeister und Kurs- und Prüfungsexperten. Zudem organisierte er die regional durchgeführten Lehrabschlussprüfungen und schlichtete in Konfliktfällen zwischen Lehrmeistern, Lehrlingen und hin und wieder deren Eltern.

Nachdem 1971 auf kantonaler Ebene die landwirtschaftliche Berufsschule die bisherige Fortbildungsschule abgelöst hatte und die Berufsprüfung in die Fähigkeitsprüfung überführt worden war, trat Bieri 1973 von seinem Amt als 'Lehrbubenvater' zurück. Der Agronom stellte mit Freude fest, dass nun fast alle Fachschüler, die die bäuerliche Fähigkeitsprüfung ablegten, zuerst eine zweijährige landwirtschaftliche Lehre absolviert hatten. Zu diesen gehörte auch sein Nachfolger Hans König, einer der ersten Absolventen des Landwirtschaftlichen Technikums in Zollikofen. Er illustrierte geradezu exemplarisch, dass der erfolgreiche Abschluss einer landwirtschaftlichen Lehre plus Weiterbildung am Technikum nun in die gleiche Position führen konnte wie ein Studium an der ETH.

Autor: Peter Moser

Quellen und Literatur

Eigene Publikationen

Quellen

  • AfA Personendossier Nr. 806
  • Archivbestand Hermann Wahlen (AfA Nr. 707)
  • Archivbestände Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft, Bern
  • Peter Moser, Wie Hermann Bieri aus Lehrbuben diplomierte Bauern machte, in: Kartoffeln, Klee und kluge Köpfe. Die Oekonomische und Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern OGG (1759-2009). Herausgegeben von Martin Stuber, Peter Moser, Gerrendina Gerber-Visser und Christian Pfister, unter Mitarbeit von Dominic Bütschi, Bern-Stuttgart-Wien, 2009, S. 239-243

Schlagworte

Suisse - SchweizKanton BernLandwirtschaftliche Schule Rütti - ZollikofenOekonomische und Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern (OGG)Verein ehemaliger Schüler der landwirtschaftlichen Schule Rütti

Bieri, Hermann (1910-2011)--DB340

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