Luder, Hans (1939-2021)--DB2186

Luder, Hans (1939-2021)--DB2186

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Person

Lebensdaten

23.09.1939-06.05.2021

Mädchenname, Herkunftsort bzw. Heimatort

Oberösch, BE

Zivilstand, Konfession, Nachkommen

Verheiratet mit Elisabeth Blaser; drei Kinder

Soziale Herkunft, verwandtschaftliche Beziehungen

Bauernsohn

Ausbildung, berufliche Tätigkeit und Funktionen in der Öffentlichkeit

Ausbildung

Meisterlandwirt 1969; Landwirtschaftliche Schule Rütti/Zollikofen

Berufsausübung

Landwirt in Oberösch

Funktionen in landwirtschaftlichen Institutionen

IP-Suisse: Initiant und erster Präsident 1989-2005 (als Vorgänger von Stalder, Andreas--DB3401); Oekonomische und gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern (OGG): Mitglied der Pflanzenbaukommission, GLB: Präsident Bereich Emmental 1987-1990, Mitglied des Leitenden Ausschusses 1974-1990

Funktionen in anderen Institutionen

Förderverein für das Archiv für Agrargeschichte: Präsident des Vorstandes; Kirchgemeinde Oberösch: Kirchgemeindepräsident 1992-1998, Kirchgemeinderat 1986-1998

Funktionen in der Politik

Gemeinde Oberösch: Gemeindepräsident 1972-1981, Gemeinderat 1966-1981

Biographische Skizze

Hans Luder wurde am 23. September 1939 in Oberösch geboren. Die bäuerliche Berufslehre schloss er 1962 an der landwirtschaftlichen Schule Rütti ab und die Meisterprüfung bestand er 1969. Anfangs der 1970er Jahre übernahm Luder zusammen mit seiner Frau Elisabeth Blaser den elterlichen Betrieb in Oberösch. In der Öffentlichkeit engagierte er sich zunächst vor allem in der Gemeinde sowie in der Kirchgemeinde. Von 1966 bis 1981 war er Gemeinderat, von 1972 bis 1981 Gemeindepräsident von Oberösch. Dem Kirchgemeinderat gehörte Luder von 1986 bis 1998 an, ab 1992 als Präsident. Von 1974 bis 1990 war Luder Mitglied des Leitenden Ausschusses der Genossenschaft landwirtschaftliches Bauen, deren Bereich Emmental er von 1987 bis 1990 präsidierte.

Als treibende Kraft bei der Gründung der IP-Suisse 1989 verkörpert Hans Luder wie kein anderer die Entstehung und Verankerung der 'integrierten Produktion' (IP), die in den 1990er-Jahren – stark vereinfacht und unter dem Begriff des 'ökologischen Leistungsnachweises' – in der schweizerischen Landwirtschaft flächendeckend umgesetzt wurde. Für seinen Beitrag zur Entwicklung der integrierten Produktion spielten die Diskussionen innerhalb der OGG-Kommission für Pflanzenbau, der Luder während mehr als 20 Jahren angehörte, eine wichtige Rolle.

Als der Oberöscher Meisterlandwirt Hans Luder 1976 Mitglied der Pflanzenbaukommission der OGG wurde, war er einer von vier Bauern; die anderen zehn Mitglieder waren an der ETH ausgebildete Agronomen, darunter auch Landwirtschaftslehrer, die Luder Anfang der 1960er-Jahre auf der Rütti unterrichtet hatten. Ende der 1970er-Jahre waren gar nur noch zwei Praktiker dabei. 1983/84, nach der Integration der OGG-Kommission für Pflanzenschutz in die Kommission für Pflanzenbau, waren von den neu 22 Mitgliedern vier Bauern, die wie Luder einen eigenen Betrieb führten, 17 waren Agronomen, einer Kaufmann. Wie viele andere Gremien in dieser Zeit beschäftigte sich am Anfang von Luders Mitgliedschaft auch die Pflanzenbaukommission vor allem mit dem biologischen Landbau. So wurden 1977 auf der Rütti die verschiedenen Richtungen und Anbaumethoden des Biolandbaus vorgestellt und im folgenden Jahr besuchte man das Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Oberwil (heute: Frick) sowie den Bio-Hof von Rudolf Frey in Binningen. Die 1979 durchgeführte Tagung der OGG zum Thema 'Biologischer oder konventioneller Landbau, Gegensätzliches und Gemeinsames' lockte 600 Personen in den Kursaal.

In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre rückten der Boden und die Nährstoffbilanzen ins Zentrum der Diskussionen innerhalb der OGG-Kommission. Das waren Themen, die sich im Gefolge der spezifischen Modernisierungen der Agrarproduktion in den 1960/70er-Jahren besonders aufdrängten. Denn die in den 1950er-Jahren einsetzende Motorisierung ermöglichte den Einsatz immer wirkungsvollerer Maschinen, was in vielen Ackerbaubetrieben auch zu Bodenverdichtungen führte. Und der stark steigende Fleischkonsum hatte einen so rasanten Ausbau der Tierhaltung zur Folge, so dass die Stoffkreisläufe auf vielen Betrieben aus dem Gleichgewicht gerieten und der Hofdünger in bestimmten Regionen vom Segen zum Problem wurde. Die (Agrar-)politik reagierte auf diese von ihr stark mit verursachte Entwicklung in erster Linie mit dem Erlass von Vorschriften und Verboten. So erliess der Bund Obergrenzen für Tierbestände pro Betrieb und der bernische Regierungsrat verbot im Winter 1985/86 das Ausbringen von Gülle auf Schnee.

Luder gehörte zu denjenigen Bauern, die sich durch die widersprüchlichen Forderungen der Gesellschaft nach Rationalisierung und Verbilligung der Produktion auf der einen, und den Versuchen zur Einschränkung der dadurch verursachten negativen Auswirkungen auf der anderen Seite, nicht in die Defensive drängen liessen. Den eingeschlagenen agrarpolitischen Weg konnte er nicht gutheissen, weil er überzeugt war, dass gesetzliche Regulierungen der Komplexität eines mit lebenden Ressourcen arbeitenden Landwirtschaftsbetriebs nie gerecht werden können und dass der entscheidende Faktor die Menschen sind, die die Arbeit mit Tieren und Pflanzen verrichten. Mit einem generellen Verbot des Gülleausbringens auf Schnee etwa, so argumentierte Luder, würde den Bauern lediglich die Verantwortung für einen sorgfältigen und die Gewässer schonenden Umgang mit Hofdüngern abgenommen. Zugleich machte er darauf aufmerksam, dass es unter Berücksichtigung aller Faktoren in Ackerbaugebieten aus ökologischer Sicht sehr wohl sinnvoll sein könne, unter bestimmten Bedingungen an bestimmten Orten auch im Winter Gülle auszubringen.

Luder, der in den 1960er-Jahren als junger Mann auf eigene Faust die DDR bereist, in einem israelischen Kibbuz gearbeitet und auf dem Herzberg bei Aarau von Wartenweiler, Fritz (1889-1985)--DB3729 geleitete Volkshochschulkurse besucht hatte, glaubte nicht daran, dass sich zentrale Probleme durch die Entmündigung der Ausführenden lösen liessen. Luder versuchte, gestärkt durch seine Erfahrungen aus dem Engagement in Gemeinde und Kirchgemeinde, auch in der (Agrar-)politik Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Bauern ein vernünftiges Handeln ermöglichten. Für geschlossene Denksysteme konnte er sich nicht erwärmen – gerade wenn sie sich darin erschöpften, diejenigen zu belohnen, die sich an die Regeln hielt, und zu sanktionieren, wer sie übertrat. Auch deshalb suchte er nach Alternativen nicht nur zum konventionellen, sondern auch zum mittlerweile durch zahllose Vorschriften ebenfalls stark reglementierten biologischen Landbau.

1985 besuchte Luder zusammen mit der Pflanzenbaukommission einen grossen Landwirtschaftsbetrieb in der Nähe von Heilbronn, dessen Leitung schon seit den späten 1970er-Jahren Ackerbau im Sinne eines integrierten Pflanzenbaus betrieb und Vergleiche zum konventionellen Anbau anstellte. Beim integrierten Pflanzenbau handelte es sich um eine Weiterentwicklung des 'integrierten Pflanzenschutzes', der in den 1960er-Jahren in den Spezialkulturen entstanden war. Im Obstbau waren wegen der hier schon seit dem 19. Jahrhundert eingesetzten Pestizide Pilze und Schädlinge zunehmend resistent gegen Fungizide und Insektizide geworden. Als Schädlinge trotz Pestizideinsätzen grosse wirtschaftliche Einbussen zu verursachen begannen, wurde die Suche nach Alternativen unausweichlich. Deshalb ging es von Anfang an auch darum, einen wirkungsvolleren Hilfsstoffeinsatz mit einer Reduktion der Kosten für den Pflanzenschutz zu kombinieren. Diese Perspektive faszinierte Luder. Er erblickte darin einen Ansatz, der es den Betriebsleitern ermöglichen könnte, im komplexen System eines Bauernhofs das Optimum aus der nachhaltigen Nutzung lebender, erneuerbarer Ressourcen herauszuholen und damit den ökonomischen Zwängen einer auf unendliches Wachstum fixierten Gesellschaft einigermassen standzuhalten. Schon 1986/87 schlug er deshalb vor, 'eine spezielle Marke zu schaffen', um für Produkte, die nach 'noch aufzustellenden Richtlinien einer integrierten Produktion angebaut' würden, einen höheren Preis auszuhandeln. Während sich die Pflanzenbaukommission nicht einigen konnte, in 'welcher Art und Weise' sie 'mithelfen könnte, das Gedankengut der IP in die Praxis zu tragen', schritt Luder mit Berufskollegen zur Tat und gründete im Frühling 1989 die Schweizerische Vereinigung der integriert produzierenden Bauern und Bäuerinnen (IP-Suisse).

Schon ein Jahr später legte die Organisation, die den Agronomen Fritz Rothen als Geschäftsführer engagiert hatte, nicht ohne Stolz 'ausschliesslich von praktizierenden Bauern erarbeitete' Anbauempfehlungen vor. Das war zugleich auch eine Antwort auf die bereits 1989 veröffentlichten 'Anbauempfehlungen für den integrierten Ackerbau' der Arbeitsgruppe 'Integrierter Pflanzenbau' des Schweizerischen Verbandes der Ingenieur-Agronomen und Lebensmittelingenieure (SVIAL).

Den IP-Suisse-Bauern und -Bäuerinnen war es vor allem darum zu tun: Die Praktiker sollten auch bei der Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Produktion und der Agrarpolitik eine wichtige Rolle spielen und wieder in direkten Kontakt mit den Konsumentinnen und Konsumenten kommen. Sie schlossen sich deshalb Anfang der 1990er-Jahre auf lokaler Ebene auch mit landwirtschaftlichen Betriebsberatern in so genannten IP-Ringen zusammen, um die Abklärungen über die Möglichkeiten und Grenzen einer nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion und deren Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die Kulturlandgestaltung in die eigenen Hände zu nehmen.

Autor: Peter Moser

Quellen und Literatur

Eigene Publikationen

Quellen

  • AfA Personendossier Nr. 462
  • Archivbestand Hans Luder (AfA Nr. 706)
  • Archivbestand Schweizerische Vereinigung integriert produzierender Bauern und Bäuerinnen (AfA Nr. 348)
  • Claudia Schreiber, Peter Moser: Hans Luder - Praktiker der integrierten Landwirtschaft, in: Kartoffeln, Klee und kluge Köpfe. Die Oekonomische und Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern OGG (1759-2009). Herausgegeben von Martin Stuber, Peter Moser, Gerrendina Gerber-Visser und Christian Pfister, unter Mitarbeit von Dominic Bütschi, Bern-Stuttgart-Wien, 2009

Schlagworte

Suisse - SchweizKanton BernIP-SUISSEOekonomische und Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern (OGG)

Luder, Hans (1939-2021)--DB2186

Peter Moser, Luder, Hans (1939-2021)--DB2186 .