Women's Organisation for World Order (WOWO), AfA2593

Women's Organisation for World Order (WOWO), AfA2593

Organisationsgeschichte, histoire de l'organisation

Die Women's Organisation for World Order (WOWO) wurde 1935 in Genf gegründet. Die Initiantinnen stammten aus Schweden, Norwegen, Österreich, England, Dänemark, Ungarn, der Tschechoslowakei sowie der Schweiz. Zu ihnen gehörten Wägner, Elin (1882-1949)--DB3699, Askanasy-Mahler, Anna Helene (1893-1970)--DB9326, Hoerup, Ellen (1871-1953)--DB12123, Thommen, Elisabeth (1888-1960)--DB9333 und Woker, Gertrud Johanna (1878-1968)--DB4873. Das Programm, das am Genfer Kongress beraten wurde, enthielt die Forderung nach einer gleichen Entlöhnung für gleiche Arbeit und gleiche staatsbürgerliche Rechte für Männer und Frauen. Auch eine Begrenzung der Souveränität der Nationalstaaten durch den Völkerbund, eine Abrüstung und eine stärkere Mitwirkung der Frauen in den Justizsystemen wurden verlangt. In der Geburtenregelung erblickten die Initiantinnen der WOWO zudem eine Grundvoraussetzung für eine 'freie Mutterschaft'.

Der zweite WOWO-Kongress fand 1936 in Salzburg statt. Mit Elisabeth Tamm wurde eine schwedische Parlamentarierin eingeladen, die über das Thema Landreform referierte. Die Forderung nach einer 'Grund- und Bodenreform, welche die Spekulation' ausschliesse, 'aber die beste Kultivierung des Bodens' ermögliche, hatte schon das im Jahr zuvor verabschiedete Programm verlangt. Am dritten Kongress, der 1937 in Bratislava durchgeführt wurde, rückte die Boden- und Agrarfrage schliesslich ganz ins Zentrum der Diskussionen. Als Hauptreferentin dabei war die viehlos wirtschaftende Bäuerin Hofstetter, Mina (1883-1967)--DB1638 aus der Schweiz.

Wegen der Gefährdung der jüdischen Mitglieder konnte die vierte WOWO-Tagung im Sommer 1938 nicht, wie vorgesehen, in Den Haag stattfinden. Die Zusammenkunft wurde stattdessen nach Luzern verlegt und als 'harmlose Zusammenkunft von an landwirtschaftlichen Fragen interessierten Frauen' deklariert, um keine Beobachtung durch die Polizei auszulösen. Für die Organisation der Mitte Juli im Waldstätterhof, einem Hotel des Schweizerischen Gemeinnützigen Frauenvereins stattfindenden Tagung zuständig war die Journalistin Elisabeth Thommen. Ausländische Delegierte wie Anna Helene Askanasy, Elin Wägner und Flory Gate nutzten den Aufenthalt in der Schweiz, um vorgängig die 'Biologische Lehrstätte' von Mina Hofstetter in Ebmatingen am Greifensee zu besuchen. Die Zusammenkunft in Luzern, an der Hofstetter auch teilnahm, wurde dann zum 'Gegenpol' der 'reinen Männerkonferenz' von Evian, die ein paar Tage zuvor, am 6. Juli begonnen hatte. Unter dem Eindruck, dass die Versammlung von Evian nicht die Flüchtlinge, sondern die Regierungen vor den Flüchtlingen schützen wollte, nannte sich die WOWO in Luzern vorübergehend in 'International Women’s Emergency Committee' um. Zudem reisten zwei WOWO-Delegierte an den Lac Léman, um aus erster Hand über die Beratungen der 'exklusiven Männerrunde' zu berichten. Sie meldeten nach Luzern, Evian sei 'eine Beratung der Regierungen vieler Länder, die sich vor den Flüchtlingen schützen, aber nicht den Flüchtlingen Hilfe bringen' wollten. Daraufhin verabschiedeten die in Luzern versammelten WOWO-Frauen eine Botschaft an die Konferenzteilnehmer von Evian, in der sie u.a. 'die Öffnung der Grenzen aller Länder der Erde' forderten, die für sich 'den Anspruch auf Kultur und Moral' erhoben. Denn, so die WOWO-Stellungnahme weiter, es gebe 'keine illegalen Flüchtlinge', es gebe 'nur illegale Verfolger'. Diese Botschaft wurde von einer WOWO-Vertreterin persönlich nach Evian gebracht. Mit der Begründung, dass sie im Namen der Frauen und Kinder spreche, die zwei Drittel der Flüchtlinge ausmachten, verschaffte sie sich, obwohl nicht eingeladen, Zutritt und verlas das Schreiben der WOWO in drei Sprachen.

Weil Anna Helene Askanasy und ihre zwei Töchter nach der Flucht aus Wien in der Schweiz keine Aufenthaltsbewilligung erhielten (ihr Mann war im März 1938 von den Nationalsozialisten ermordet worden), reiste sie via London nach Kanada weiter, wo sie sich bei den Behörden für die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge aus Europa einsetzte. Gleichzeitig suchte Askanasy Land für ein Siedlungsprojekt, dessen Führung ganz in den Händen von Frauen aus dem Umkreis der WOWO liegen sollte. Als 'Haupt des Clans' und Vorsteherin des Bauernbetriebs vorgesehen war Mina Hofstetter, die in der Folge auch einen Plan zur Umsetzung des Projekts entwickelte. Eine wichtige Rolle im Siedlungsprojekt spielen sollte auch die Schriftstellerin Elin Wägner, Mitglied des schwedischen Nobelpreiskomitees. Allerdings konnten diese Pläne dann nur ansatzweise realisiert werden - auch deshalb, weil sich Hofstetter und Wägner 1939/40 gegen eine definitive Emigration nach Kanada entschieden.

Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Verbindungen unter den WOWO-Mitgliedern massiv erschwert. Zudem war Askanasy primär damit beschäftigt, die kanadischen Behörden von der Notwendigkeit zu überzeugen, in Europa verfolgten Emigranten die Einreise zu genehmigen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Austausch wieder reger. Der erste internationale Frauenkongress nach dem Krieg, zu dem auch Frauen aus Deutschland eingeladen waren, fand vom 28. September bis am 1. Oktober 1947 in Paris statt. Dort ergriffen auch Ilse Langner, Alice Hemming und Anna Helena Askanasy im Namen der WOWO das Wort, nicht aber Mina Hofstetter, die zwar auch am Kongress teilnahm und ihren Standpunkt darlegte. Weil sie jedoch darauf bestand, als Bäuerin, nicht als Vertreterin einer Institution zu reden, wurde ihr in der Schlussdiskussion das Wort verweigert. Denn die Kongressleitung hatte aus organisatorischen Gründen schon vorgängig beschlossen, dass in dieser Runde nur noch Vertreterinnen von Verbänden und Vereinigungen reden durften.

Trotz der Bestrebungen von Askanasy, die in Kanada eine neue Sektion aufzubauen versuchte, gelang es ihr nach dem Krieg nicht, die WOWO wieder zu aktivieren. Das hing auch damit zusammen, dass Elin Wägner 1949 starb, Askanasy nicht mehr nach Europa zurückkehren wollte und Mina Hofstetter sich anfangs der 1950er Jahre aus der Führung ihres Betriebs und der Öffentlichkeit zurückzog.

Mit ihrer Berufung auf die insbesondere von Johann Jakob Bachofen entwickelten Matriarchatsvorstellungen tendierten einzelne WOWO-Exponentinnen dazu, ihr Frausein zu essentialisieren. Gleichzeitig vermittelte sie aber das Bild einer Vergangenheit, in der Frauen über Gestaltungspotential und Macht verfügten und somit auch in der Gegenwart eigenständige Deutungsmuster entwickeln konnten. Die "bisherige männliche Welt- und Wirtschaftsordnung' sei von Grund aus falsch, heisst es im Bericht der Luzerner Tagung, 'weil sie auch den besten und anständigsten Menschen' zwinge, wenn er existieren wolle, 'gegen seine bessere Natur Dinge zu tun, die dem inneren Gesetz von Recht und Ordnung' widersprechen würden. Deshalb, so die WOWO weiter, gelte es, 'eine neue Weltordnung' zu ersinnen, 'welche endlich statt Raubbau an Natur und Menschen, statt Kampf gegen die Natur, ein Erfüllen der Naturgesetze' bringe. Die WOWO-Exponentinnen produzierten nicht nur eine idealisierte Vorstellung von Geschichte, sondern sie lieferten ihren Zeitgenossinnen auch konkrete Anregungen zur Infragestellung der männerdominierten Ordnung und des Umgangs mit der Natur, in der sie lebten. So gesehen handelt es sich bei ihnen gewissermassen um Ökofeministinnen avant la lettre.

Autor: Peter Moser

Archivbestand, fonds d'archives

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Website der Organisation, site internet de l'organisation

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Peter Moser, Women's Organisation for World Order (WOWO), AfA2593 .