Zürcher, Alfred (1937-)--DB3954

Zürcher, Alfred (1937-)--DB3954

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Person

Lebensdaten

30.08.1937-

Mädchenname, Herkunftsort bzw. Heimatort

Eggiwil (BE)

Zivilstand, Konfession, Nachkommen

Verheiratet mit Rosmarie Sommer; fünf Kinder

Soziale Herkunft, verwandtschaftliche Beziehungen

Sohn eines Kleinbauern

Ausbildung, berufliche Tätigkeit und Funktionen in der Öffentlichkeit

Ausbildung

Primarschule in Eggiwil

Berufsausübung

Pächter in Trub 1985-2002; Alphirt in Gohl bei Langnau 1961-1985; landwirtschaftlicher Angestellter

Funktionen in landwirtschaftlichen Institutionen

Oekonomische und gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern (OGG): Mitglied der Kommission für landwirtschaftliche Angestellte 1976-2003; Alphirtenverband Emmental: Ehrenpräsident 2003-, Präsident 1975-2003 (als Nachfolger von Häusler, Hans--DB10613 und Vorgänger von Meister, Andreas--DB11482), Vizepräsident 1970-1975; Alpwirtschaftskommission des Amtes Signau: Präsident; Schweizerischer Alpwirtschaftlicher Verein: Experte für Alptaxierungen

Funktionen in anderen Institutionen

Schulkommission Langnau: Mitglied 1970-1978; Kirchgemeinderat in Trub

Funktionen in der Politik

Gemeinderat Langnau (SVP) 1978-1985

Biographische Skizze

Alfred Zürcher wuchs während des Zweiten Weltkriegs als fünftes von neun Kindern auf. Seine Familie bewirtschaftete einen drei Hektaren umfassenden Kleinbetrieb in der Bergzone der Gemeinde Eggiwil, hielt vier Kühe und baute Kartoffeln und Getreide an; der Vater half zusätzlich auf den Nachbarbetrieben aus. Zürcher bezeichnet es noch heute als Wunder, dass unter diesen Umständen keines der Kinder verdingt werden musste.

Als 16-Jähriger trat er 1953 eine Stelle als Dienstbote bei Fritz Hofer an, der neben einem Bauernbetrieb in Langnau noch einen Bergbetrieb mit Hirtenstelle besass. Schon nach einem Jahr musste Alfred Zürcher wieder auf den elterlichen Betrieb zurückkehren, weil sein Vater erkrankte und der ältere Bruder körperlich behindert war. Nach der Rekrutenschule 1957 heiratete er Rosemarie Sommer, die als Verdingkind aufgewachsen war. In der Nähe des elterlichen Hofs konnten die beiden einen kleinen Betrieb pachten. Als Fritz Hofer ihnen 1960 seine Hirtenstelle anbot, griffen sie sofort zu, sahen sie doch im Hirtenwesen eine Möglichkeit, wirtschaftlich selbstständig zu werden und 'etwas Eigenes' aufzubauen.

Im Frühling 1961 traten sie ihre Hirtenstelle im Gohl bei Langnau an. Das Alpgebäude war renoviert. Es gab, in den 1960er Jahren noch nicht selbstverständlich, Elektrizität und sogar einen Telefonanschluss im Haus. Zu den 16 Rindern des Eigentümers, für die Zürchers zu sorgen hatten, durften sie selber zwei Kühe, zwei Rinder und ein Kalb halten. Später bewirtschafteten sie zusätzlich einen benachbarten Alpbetrieb und konnten dadurch den eigenen Viehbestand um eine Kuh und einige Ziegen ausbauen.

Zürchers waren, wie die meisten Emmentaler Hirten im 20. Jahrhundert, also weder angestellt noch selbstständig, sondern beides zugleich. Die genossenschaftlichen oder privaten Eigentümer der Alpen entschädigten die Hirten für die Betreuung des Viehs sowie den Unterhalt der Alpgebäude und der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Form von Nutzungsrechten und mit finanziellen Abgeltungen für zusätzlich erbrachte Dienstleistungen wie etwa die Bewirtschaftung von Wald. Alfred Zürcher holzte praktisch für alle Bauern der Gegend im Taglohn. Ein Kredit des Eigentümers der Alp - den Banken war das Risiko zu hoch - ermöglichte ihm 1962 den Kauf eines hangtauglichen Transportfahrzeugs, so dass er nun auch grössere Transport- und Holzarbeiten für Dritte ausführen konnte. Den Zins für das Darlehen bezahlten Zürchers der Familie Hofer, indem sie für sie fuhrwerkten. Später kaufte der risikofreudige Hirt sogar eine mobile Seilanlage, die den Holzschlag im steilen Gelände erleichterte. Jetzt konnte er im Winter auch für andere unter schwierigsten Bedingungen Holz abseilen. Vorher musste das Holz vielerorts im Frühling/Sommer geschlagen werden, damit die Stämme schnell austrockneten. Nur so konnten sie zum Weitertransport von den Hirten und Bauern selber zu den Sammelplätzen in den Gräben befördert werden.

Alfred Zürcher war begeistert von den neuen Möglichkeiten, welche die Motorisierung in den 1950/60er-Jahren mit sich brachte. Sein Werdegang illustriert die Originalität und Komplexität des Transformationsprozesses technologischer Innovationen an der Schnittstelle von Wald- und Landwirtschaft und Tourismus im ländlichen Raum. Als er 1968 in der bäuerlichen Fachpresse ein Inserat sah, das Motorschlitten anpries, griff er kurz entschlossen zu. Mit dem Motorschlitten wollten Zürchers sicherstellen, dass ihre Kinder auch im Winter während der Schulzeit abends nach Hause kommen konnten. Schon bald brauchte er den Schlitten aber auch zum Herrichten und zum Unterhalt von Langlaufloipen, die dazu beitrugen, das obere Emmental in den 1970er Jahren für den Wintertourismus zu erschliessen. Das Spurgerät konstruierte und baute Zürcher zusammen mit seinem Bruder, der Schmied war.

Für Zürcher war es selbstverständlich, beim Alphirtenverband Mitglied zu werden und die berufsständischen Anliegen auch kollektiv zu vertreten. Die prekäre Lage der Alphirten war erstmals Ende der 1930er-, Anfang der 1940er-Jahre zu einem öffentlichen Thema geworden. Nachdem in den 1950er-Jahren Medien, Behörden und Private die Lebensverhältnisse der Alphirten erneut thematisierten, begannen sich diese 1956 selbst zu organisieren. Aus den vier Sektionen Lüderen, Brestenegg, Trub und Obere Emme entstand im April 1961 der Emmentalische Alphirtenverband. Im gleichen Frühling also, in dem Zürchers ihre Hirtentätigkeit aufnahmen. 14 Jahre später stand Alfred als Präsident an der Spitze der Organisation, die sich für die Wahrung der Interessen der Hirten und der Alpwirtschaft insgesamt einsetzte. Dieses Amt behielt er auch, nachdem er die Hirtenstelle auf der Hohmatt aufgegeben und ein paar hundert Höhenmeter weiter unten einen Betrieb als Pächter übernommen hatte.

Als Präsident des Alphirtenverbandes war Zürcher quasi von Amtes wegen Mitglied der Kommission für landwirtschaftliche Angestellte der Oekonomischen und Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons Bern (OGG), der auch Vertreter des Bernischen Dienstbotenverbandes wie Gurtner, Jakob (1909-1990)--DB1404, Hirschi, Gottfried (1909-1975)--DB1595 oder Gerber, Otto--DB1238 angehörten. Die OGG begann sich erstmals während des Zweiten Weltkriegs näher mit der prekären Lage der Alphirten, den Nachfahren der für die patrizischen Eigentümer von Alpen im 17./18. Jahrhundert so wichtigen Küher, zu befassen. Auf Anregung von aussen führte die OGG von 1943 bis 1947 im Napfgebiet Gemüseanbauversuche zur Verbesserung der Nahrungsversorgung der Hirtenfamilien durch. In den 1950er-Jahren reagierte sie erneut auf die Thematisierung der Lage der Alphirten durch Dritte. Ihre Kommission für das Dienstbotenwesen führte von 1955 an in der Reformierten Heimstätte Gwatt jährlich eine zweitägige Tagung für landwirtschaftliche Angestellte und Alphirten durch. Weil jedoch die wenigsten Alphirten zwei Tage von ihrem Betrieb abwesend sein konnten, begann der Alphirtenverband im Frühling 1968 in Langnau mit der Durchführung eigener, eintägiger Alphirtentagungen. An diesen bei den Hirten und ihren Familien sehr beliebten Anlässen wurde in der Regel ein Vortrag gehalten, ein Film gezeigt oder aus einem Buch vorgelesen.

Zürcher vertrat die Anliegen der Alphirten gegenüber den Eigentümern der Alpen und den Behörden nie konfrontativ, obwohl die materielle Lage vieler Hirten im Emmental bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein noch prekärer war als im Jura oder im Oberland, wo die Uhrenindustrie beziehungsweise der Tourismus die Löhne auf dem Land stärker beeinflussten. Angesichts der Komplexität der Beziehungen zwischen Bauer und Hirt, die auf zwar ungleichen, aber doch gegenseitigen Abhängigkeiten beruhten - die bäuerlichen Viehzüchter vertrauten den Hirten mit dem Jungvieh nicht selten zugleich ihr grösstes Kapital an -, versuchte Zürcher in Konflikten immer zuerst zu schlichten; eine Grundhaltung, die von den Mitgliedern anerkannt und gutgeheissen wurde.

Autor: Peter Moser

Quellen und Literatur

Eigene Publikationen

Quellen

  • AfA Personendossier Nr. 439
  • Schreiber, Claudia, Moser, Peter: Von der Befreiung aus prekären alpwirtschaftlichen Verhältnissen - Alfred Zürcher, in: Kartoffeln, Klee und kluge Köpfe. Die Oekonomische und Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern OGG (1759-2009). Herausgegeben von Martin Stuber, Peter Moser, Gerrendina Gerber-Visser und Christian Pfister, unter Mitarbeit von Dominic Bütschi, Bern 2009, S. 247-251
  • Archivbestand Alphirtenverband Emmental (AfA Nr. 310)
  • Archivbestand Oekonomische und Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern (AfA Nr. 129)

Schlagworte

Suisse - SchweizKanton BernOekonomische und Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern (OGG)Schweizerischer Alpwirtschaftlicher Verein (SAV)Alphirtenverband Emmental

Zürcher, Alfred (1937-)--DB3954

Peter Moser, Zürcher, Alfred (1937-)--DB3954 .