Schneider-Schnyder, Anna (1885-1962)--DB3203

Schneider-Schnyder, Anna (1885-1962)--DB3203

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Person

Lebensdaten

20.10.1885-23.06.1962

Mädchenname, Herkunftsort bzw. Heimatort

Anna Schnyder; Diessbach b. Büren

Zivilstand, Konfession, Nachkommen

Verheiratet mit Schneider-Schnyder, Walter (1878-1942)--DB3204; 4 Kinder: Margrit, Max, Trudi und Schneider, Walter--DB3198

Soziale Herkunft, verwandtschaftliche Beziehungen

Bauerntochter

Ausbildung, berufliche Tätigkeit und Funktionen in der Öffentlichkeit

Ausbildung

Lehrerinnenseminar Monbijou Bern 1901-1904; Sekundarschule Büren an der Aare

Berufsausübung

Lehrerin in Unterseen; Haushaltungsschule Schwand-Münsingen: Vorsteherin 1913-1934 (als Vorgängerin von Daepp-Neuenschwander, Marie (1903-1961)--DB768)

Funktionen in landwirtschaftlichen Institutionen

Schweizerischer Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV): erste Präsidentin 1932-1935 (als Vorgängerin von Lichtenhahn-Maier, Elsa (1889-1969)--DB2145); Verband Bernischer Landfrauenvereine (VBL): Vizepräsidentin 1930-1940 (als Vorgängerin von Kammer-Feldmann, Frieda--DB1837), Vorstandsmitglied -1951, Ehrenmitglied, Mitbegründerin

Funktionen in anderen Institutionen

Frauenvereine Münsingen und Muri: Mitglied

Funktionen in der Politik

Frauenstimmrechtsverein Bern: Aktives Mitglied

Biographische Skizze

Anna Schneider wuchs auf einem Bauernhof im bernischen Diessbach auf und bildete sich zur Lehrerin aus. Dass der Agronom Schneider-Schnyder, Walter (1878-1942)--DB3204 im Jahr 1913 Direktor der neu gegründeten landwirtschaftlichen Schule auf dem Schwand bei Münsingen wurde, hatte er zu einem guten Teil seiner Frau Anna zu verdanken, mit der er seit 1908 verheiratet war. Denn die Schwand-Direktion war nur im Team zu bewältigen, galt es neben einer landwirtschaftlichen Schule und einem Gutsbetrieb doch auch eine hauswirtschaftliche Schule zu führen, in der junge Frauen zu Bäuerinnen ausgebildet werden sollten. Regierungsrat Moser, Carl (1867-1959)--DB2434, der bekannte Förderer des landwirtschaftlichen Bildungswesens im Kanton Bern, führte das Direktorenpaar Schneider-Schnyder im Mai 1913 höchstpersönlich in dessen Aufgaben auf der Domäne ein, die der Kanton Bern 1911 von der Familie von Erlach erworben hatte. 'So, da findet ihr viel Werk an der Kunkel': Das habe Moser ihnen beim ersten Besuch auf dem Schwand mit einem 'freudigen, wohlwollenden Lächeln' gesagt, berichtete Anna Schneider vierzig Jahre später. Mit der Planung, Umsetzung und Überwachung der Bau- und Einrichtungsarbeiten auf dem Schwand türmten sich tatsächlich Berge von Arbeit vor ihr auf. 'Unser erstes Kind, damals einjährig, musste ich in andere Hände schieben', berichtete sie rückblickend; es habe zwar 'entsetzlich' geschrien, aber 'es ging nicht anders, die Pflichten riefen'. Offiziell eröffnet wurde die landwirtschaftliche Schule im November 1913, und im Frühling des folgenden Jahres begann der erste Haushaltungskurs.

Jenny, Johann (1857-1937)--DB1786, der Präsident der Staatswirtschaftskommission, erklärte bei der Einweihung der Haushaltungsschule, die Bauerntöchter sollten auf dem Schwand 'lernen, mit bescheidenen Mitteln einen geordneten Haushalt zu führen, mit bescheidenen Mitteln eine schmackhafte und nahrhafte Speise zu bereiten und in einfachen, ländlichen Bauten ein wohnliches, freundliches Heim zu schaffen'. Dazu sei dem Garten- und Gemüsebau sowie der Geflügel- und Schweinehaltung ein stärkeres Interesse entgegenzubringen. Kochtheorie, Ernährungslehre, Haushaltungskunde, Gesundheitspflege, Kinderpflege, Gartenbau, Geflügel- und Schweinehaltung sowie ab 1920 auch 'Bürgerkunde' waren die Fächer, die sowohl auf dem Schwand als auch in den anderen kantonalen bäuerlichen Hauswirtschaftsschulen Waldhof, Hondrich und Courtemelon unterrichtet wurden. Das gilt im Übrigen auch für die Privatschulen in Uttewil und auf dem Möschberg, die seit 1929 respektive 1932 junge Bäuerinnen ausbildeten. Unterrichtet wurden die Töchter auf dem Schwand von zwei Hauswirtschaftslehrerinnen, der Direktorin und dem Direktor sowie Agronomen, die an der landwirtschaftlichen Fachschule tätig waren.

Der landwirtschaftlichen Schule Schwand stand eine Aufsichtskommission vor. In ihr hatten vor allem Bauern aus dem Einzugsgebiet der Schule Einsitz. In den ersten zwei Jahrzehnten nahmen auch der kantonale Landwirtschaftsdirektor sowie Käppeli, Josef (1872-1942)--DB1840, der Direktor der Abteilung für Landwirtschaft des Bundes, an den Sitzungen teil. Für die Aufsicht über die Hauswirtschaftsschule zuständig war eine Fachkommission, die bis 1931 von Moser-Gerber, Marie (1868-1933)--DB2444, der Frau des Landwirtschaftsdirektors, präsidiert wurde. Das Protokoll führte der Direktor der Schule, der zusammen mit seiner Frau an den Sitzungen teilnahm. Wenn die Aufsichtskommission und die Fachkommission ausnahmsweise gemeinsam tagten, wohnte Anna Schneider auch den Beratungen der Aufsichtskommission bei. Umgekehrt nahm der Direktor auch an den Lehrerkonferenzen der Haushaltungsschule teil, wo er zeitweise das Fach Geflügelhaltung unterrichtete.

Anfangs dauerten die hauswirtschaftlichen Kurse drei, später vier und ab 1920 sechs Monate. In den ersten zwei Jahrzehnten überstieg die Nachfrage die Aufnahmekapazität bei weitem. Erst in der Weltwirtschaftskrise konnten die Kurse nicht mehr doppelt geführt werden. Zwar stand die Schule allen Schichten offen, doch stammten die Töchter vorwiegend von grösseren Betrieben – auch eine Folge des Kostgeldes, das der Kanton für den Besuch erhob. Bei der Zusammensetzung der Fachkommission selbst achtete man jedoch darauf, dass unterschiedliche Schichten der bäuerlichen Bevölkerung vertreten waren. So wurde 1925 zum Beispiel eine als Vertreterin des Kleinbauernstandes wahrgenommene ehemalige Schwand-Schülerin dem Regierungsrat als neues Mitglied der Fachkommission vorgeschlagen.

Illustrierten das Unterrichtsprogramm und die Organisation der Schule die weitgehend an einem bürgerlichen Haushalt orientierte Arbeitsteilung, so hatte Anna Schneider selber durchaus auch differenziertere Vorstellungen von der Arbeitswelt auf den Höfen. Vorstellungen, die dem bäuerlichen Alltag wohl eher gerecht wurden. Auch hier hatten Frauen und Männer unterschiedliche, oft streng getrennte Arbeitsbereiche. Doch für das Funktionieren des Gesamtbetriebs waren die Aufgaben von Männern und Frauen (und oft auch Kindern) von gleichwertiger Bedeutung; sie bedingten sich gegenseitig. Diese komplementäre Arbeitsgemeinschaft war denn auch ein konstitutives Element der bäuerlichen Welt bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Anna Schneiders öffentlich erhobene Forderung, dass auch Buben lernen sollten, Hausarbeit zu verrichten, war ganz auf die Optimierung dieser Arbeitsgemeinschaft ausgerichtet. So lernten sie 'Frauenarbeit schätzen und verursachen in der Fremde nicht so viel Mühe', begründete Anna Schneider-Schnyder 1932 ihre unkonventionelle Forderung, die ein paar Jahre später auf dem Schwand von der Schüler- und Lehrerschaft auch ausgiebig und kontrovers diskutiert wurde. Anna Schneider wusste aus ihrer Kindheit, dass die Arbeitsgemeinschaft auf einem Hof ein dynamisches Gebilde war, das nur funktionierte, wenn alle ihre (teilweise wechselnden) Funktionen eigenständig auszuüben imstande waren. Deshalb setzte sie sich auch dafür ein, dass nicht 'nur' Töchter aus ländlichen Unterschichthaushalten ein Haushaltlehrjahr machten. Auch die Bauerntöchter sollten sich mit dessen Absolvierung die entsprechenden Erfahrungen und Kenntnisse verschaffen. Das bäuerliche Haushaltlehrjahr betrachtete sie als erste Stufe der Ausbildung einer jungen Bäuerin. Danach sollten sie Kurse besuchen und die bäuerliche Hauswirtschaftsschule absolvieren. Den Abschluss der formalen Ausbildung zur Bäuerin sah Anna Schneider in der Berufsprüfung für Bäuerinnen, die, auf Anregung der Haushaltungsschule Schwand, erstmals 1944 vom Verband Bernischer Landfrauenvereine (VBL) durchgeführt wurde.

1932 wurde Anna Schneider zur ersten Präsidentin des im gleichen Jahr gegründeten Schweizerischen Landfrauenverbandes gewählt. Dieses Amt verdankte sie weniger ihrem persönlichen Engagement in dieser Sache als dem Umstand, dass sie als Vizepräsidentin des VBL fungierte. Dieser verfügte nicht zuletzt dank dem grossen Verhandlungsgeschick von Neuenschwander, Rosa (1883-1962)--DB2543 über ein eigenes Sekretariat. Im Gegensatz zu den Pionierinnen der Bäuerinnenbewegung in der Waadt und im Kanton Schaffhausen gehörten die Bernerinnen anfänglich nicht zu den Verfechterinnen eines Zusammenschlusses der organisierten Bäuerinnen auf gesamtschweizerischer Ebene. Ein Jahr nach dem Rücktritt von der Leitung des Schwand gab Anna Schneider, die auch Mitglied des Frauenstimmrechtsvereins war, das Präsidium des SBLV an Lichtenhahn-Maier, Elsa (1889-1969)--DB2145 ab, der Direktorin der hauswirtschaftlichen Schule Charlottenfels in Schaffhausen.

Autor: Peter Moser

Quellen und Literatur

Eigene Publikationen

Quellen

  • AfA Personendossier Nr. 433
  • Gosteli, Marthe (Hrsg.): Vergessene Geschichte. Illustrierte Chronik der Schweizer Frauenbewegung 1914-1963. Bd. 2, 2. Auflage, Bern 2002, S. 568
  • Archivbestand Verband Bernischer Landfrauenvereine (AfA Nr. 139)
  • Moser, Peter: Emanzipation avant la lettre - 'Frau Direktor' Anna Schneider-Schnyder, in: Kartoffeln, Klee und kluge Köpfe. Die Oekonomische und Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern OGG (1759-2009). Herausgegeben von Martin Stuber, Peter Moser, Gerrendina Gerber-Visser und Christian Pfister, unter Mitarbeit von Dominic Bütschi, Bern-Stuttgart-Wien, 2009, S. 191-194

Schlagworte

Suisse - SchweizKanton BernKanton AargauLand- und hauswirtschaftliche Schule Schwand-MünsingenSchweizerischer Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV)Verband Bernischer Landfrauenvereine (VBL)

Schneider-Schnyder, Anna (1885-1962)--DB3203

Peter Moser, Schneider-Schnyder, Anna (1885-1962)--DB3203 .